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Wirtschaft 4.0 – die digitale Transformation

Wir sind »Personalentwickler« … oder besser … »Persönlichkeitsentwickler«. In dieser Funktion lernen wir sowohl die betriebliche, die technisch-prozessuale wie auch die menschliche Seite wirtschaftlicher Entwicklungsprozesse kennen.

Wir sehen die Potenziale und die Risiken dieser Entwicklung. Und wir sehen es als notwendig an, beide Aspekte umfassend zu betrachten.

Veränderungsprozesse begleiten die Menschheit seit Anbeginn. Und es waren auch damals schon sehr einschneidende und tiefgreifende Veränderungen darunter. Und trotzdem, es ist eher unwahrscheinlich, dass die Erfindung und Einführung des Rades einer Initiative »Vorwärts 4.0« folgte.

Je marketingorientierter wir werden, je mehr Bedeutung wir der Form statt dem Inhalt geben, je mehr das Design das Bewusstsein diktiert … um so stärker tendieren wir zu Slogans und kreieren damit vermeintlich neue Prozesse und Situationen, die es im Grunde jedoch schon lange gibt, die in ihrem Verlauf ’nur‘ schneller und weitreichender werden. Wir könnten viele dieser Begriffe beleuchten und würden sehen: so viel Neues steckt gar nicht dahinter. Und noch spannender wäre die Frage: Was von dem jeweiligen Hype kommt in der realen Welt eigentlich wirklich an? Und wie geht es weiter? Wirtschaft 325.0?

Die Wirtschaft verändert sich, immer. Getrieben von dem Ziel der Gewinnmaximierung – und nichts anderes ist die wirkliche Triebkraft dieser Entwicklung – nutzt sie alle sich bietenden Optionen und nimmt vielgestaltige Risiken in Kauf. Das hat sie seit Anbeginn ihrer Zeit getan, unabhängig davon, ob es Klein-/Mittelstands- oder Großunternehmen waren. JETZT nutzt sie die Chancen der Globalisierung (oftmals zu Lasten extrem großer – und ferner – Bevölkerungsgruppen) und die Potenziale der neuen IT-Welt. Der Begriff »Wirtschaft 4.0« euphorisiert eine Entwicklung, die neben neuen und in der Tat begeisternden Möglichkeiten auch sehr viel … nennen wir es ruhig beim Namen – menschenverachtendes Potenzial in sich trägt.

Seit der breitenwirksamen Einführung der EDV gibt es das Bestreben, möglichst viele Daten und Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Zielrichtung: schneller und effizienter werden. Die digitale Transformation begann damit im Grunde bereits spätestens in den 1970ern. Verändert haben sich nur die technischen Möglichkeiten.

Mit den neuen, »hippen« Begrifflichkeiten determinieren wir einen vermeintlichen Mainstream, bei dem aber die Frage steht, wie »Main« ist der überhaupt. Wir reden im Zusammenhang mit der digitalen Transformation z. B. von »digital Natives« als Träger und Wegbereiter der Entwicklung und stempeln im Kontext so mancher Publikation aller anderen irgendwie als ‚unvermeidbaren Ballast‘ ab. Ja, es gibt sie, die absoluten IT-Experten, natürlich. Doch hier stellt sich die Frage: Welchen Anteil machen diese Experten – diese „digital Natives“ – aus? Nach unserer ganz persönlichen Wahrnehmung – einen verschwindend geringen. Die größte Gruppe sind die, die einen PC oder ein Programm nutzen/bedienen können und hier ist die Bandbreite der Fertigkeiten groß. Und – auch das ist eine Alltagswahrnehmung aus unserer täglichen Arbeit – ganz gruselig wird es, wenn man sich die Medienkompetenz der Menschen (zum Teil auch bis hin zu den Natives) anschaut. Um die Risiken der digitalen Transformation erkennen und steuern zu können, bedarf es weit mehr als die Kenntnis einer Programmiersprache. Allein schon der Blick auf Facebook zeigt, wie unbedarft mit Daten umgegangen wird und die Wirksamkeit von Fake News zeigt, wie unkritisch vieles angenommen wird, was aus dem Netz kommt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Medienkompetenz gehört nach unserer Auffassung zwingend in den Kontext der digitalen Transformation.

Die Technik wird den Arbeitsmarkt und die Arbeitswelt nachhaltig verändern. Das steht völlig außer Frage. Mit leuchtenden Farben werden Heimarbeitsplätze, flexibelste Arbeitszeiten, temporäre wirtschaftliche Zweckgemeinschaften (statt bisheriger Unternehmen) als DER künftige Weg dargestellt. Unabhängig davon, dass vieles davon schon aus (haftungs-) rechtlichen Gründen derzeit recht fraglich erscheint und das produzierende Gewerbe (zum Glück) einer gewissen Dinglichkeit verhaftet ist – mit Portalen wie Freelancer.com u. Ä. wurde auch diese Entwicklung schon vor vielen Jahren eingeläutet. Solche Modelle sind sicher praktisch, wenn es darum geht, temporäre Lastspitzen abzufangen oder Projekte mit Fachkompetenz zu unterlegen. Doch wenn wir diese Vision wirklich als Mainstream sähen – was wäre die Folge? Bisher haben Unternehmen immer noch ein Mindestmaß an sozialer Verantwortung. Gibt es keine Unternehmen mehr, gibt es keine soziale Verantwortung; es gibt keine tariflichen Bindungen und Fachkräfte werden sich auf dem digitalen Arbeitsmarkt gegenseitig unterbieten, um den überlebensnotwendigen Auftrag zu bekommen – ein Heer rechtloser digitaler Tagelöhner lauert vor dem Portal auf Aufträge. Ja, es wird eine Handvoll hochkarätiger Fachleute geben, die von der freien Vermittlung profitieren werden. Doch es gibt mehr als eine Handvoll Menschen … und damit stellt sich die nächste Frage. Wohin mit dem »Menschen-Rest«?

Die Digitalisierung wird (noch mehr als die Automatisierung) den Bedarf/Bestand an Arbeitsplätzen/Arbeitskräften nachhaltig reduzieren. Weniger leisten mehr – Gewinnmaximierung eben. Was machen wir mit den Arbeitskräften, die nicht mehr gebraucht werden? Wir können sie nicht alle zum Altenpfleger, Wachschützer oder Ähnlichem umschulen. Was machen wir mit den Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen den intellektuellen Anforderungen der neuen Arbeitswelt nicht gewachsen sind? Der Begriff der Inklusion ist jetzt schon eine schöne Utopie, in der digitalen Zukunft wird er zur Farce. Bislang haben wir in keiner der ganzen Publikationen auch nur den Ansatz einer ernstzunehmenden »Menschen-Konzeption« gefunden. Wo also geht die Reise hin? … »Brot und Spiele«? …. Das haben wir schon.

»Wirtschaft 4.0« und die digitale Transformation scheinen dem Ansatz zu folgen: »Alles, was technisch geht, ist gut und wird gemacht; der Mensch muss sich dem einfach anpassen«. Hierzu nur zwei kurze Überlegungen.

Nicht alles, was technisch geht, MUSS auch umgesetzt werden.
Jedes technische System ist angreifbar. Wichtige, lebenserhaltende Bereiche komplett zu digitalisieren hat zur Folge, dass wir von deren Funktionieren noch stärker abhängig sind als bisher. Allein mit dem Wissen, dass es keine 100 % sichere Lösung gibt, sollten wir sehr tiefgründig überlegen, wie weit wir diesen Prozess wirklich vorantreiben wollen.

Mit der digitalen Transformation und der darin eingebetteten KI geben wir zunehmend Verantwortung und Einflussnahme auf die Prozesse an die Technik ab. Getreu dem Glaubensansatz: Der kann das viel besser und schneller als ich. Die »reine Lehre« der Digitalisierung geht davon aus, dass DER Mensch die damit gewonnenen Ressourcen sinnvoll für andere Dinge, Projekte, Kompetenzen, Selbstverwirklichungen etc. nutzt. Für einen kleinen Teil mag das zutreffen. Doch der Blick ins tägliche Leben zeigt einfach, dass es in der Mehrzahl eben nicht so ist. Viele Menschen verlernen ganz einfach Verantwortung – für sich und andere.

Mit der digitalen Transformation ist es im Grunde wie mit vielen – fast allen – anderen Entwicklungen der Geschichte. Sie verkörpert viel Positives und viel Negatives … »Fluch und Segen«. Was davon letztlich dominiert, liegt in unserer – des Menschen – Hand. Und deshalb ist es notwendig, sich sehr intensiv und umfassend damit auseinanderzusetzen.

 

Kommentare

  1. Sehr geehrter Autor,

    leider kann ich Sie nicht mit Namen ansprechen, möchte an dieser Stelle aber meine Wertschätzung für diesen Artikel ausdrücken, den ich als sehr gehaltvoll, und im Gegensatz zu vielen neoliberalistischen Auslegungen, auch für begründet kritisch ansehe.

    Interessant für mich als PerScreen-Anwender ist: Was kann PerScreen in diesem Wandel, auch rückblickend auf die Zeit der Entstehung des Verfahrens, heute noch leisten? Brauchen wir neue Skalen, die die Adaptationsfähigkeit an neue Arbeitsformen, Mensch-Maschine-Systeme oder neue juristische Rahmenbedingungen der Arbeit messen? Oder brauchen wir gar Skalen, die „IT- und Medien-Kompetenz“ oder aber die Fähigkeit messen, sich als qualifizierter Anwender oder gar Gestalter solcher Systeme erfolgreich im Markt positionieren zu können? Oder brauchen wir sogar einen neuen Unternehmer- oder Führungskräftetypus, der das Zusammenspiel von Kräften, die zu einer „Team-Leistung“ oder einem gewollten „Projektergebnis“ führen, unter neuen – nicht mehr „Unternehmens“-typischen – Bedingungen besonders erfolgreich zu organisieren vermag?

    Eine Diskussion über solche und ähnliche Fragen, insbesondere mit den geistigen Vätern und Weiterentwicklern von PerScreen, hielte ich für äußerst wertvoll.

    Ihr Ronald Luckmann

  2. Kerstin Rauh schreibt am 6.08.19 12:03:

    Lieber Herr Luckmann, vielen Dank für diese wertschätzenden und interessanten Anregungen zum Artikel unseres Mitarbeiters. Über einen Gedankenaustausch freuen wir uns. Melden Sie sich einfach mal unter den angegebenen Kontaktdaten. Herzliche Grüße, K. Rauh

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